Liegnitzer Bombe von der Bäckerei Hübner
ca. 145 Gramm
Inhalt: Weizenmehl, Zucker, Honig, Hühnervollei, Kuvertüre, Butter, Mandeln, Sultaninen, echtes belgisches Kakaopulver, Echter Rum, Vollmilch, Gewürzmischung, Pottasche, Rosenwasser
Lagerung bei 6-15 Grad
Die Liegnitzer Bombe ist eine ursprüngliche Pfefferkuchen-Spezialität aus Liegnitz in Niederschlesien. Der kleine runde Kuchen aus braunem Lebkuchenteig wurde vor 1945 vor allem in Liegnitz und Umgebung hergestellt und von dort weltweit exportiert. Mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung kam diese Pfefferkuchentradition im polnischen Teil Niederschlesiens zum Erliegen.
In der niederschlesischen Oberlausitz ist sie jedoch weiterhin verbreitet.
Die Liegnitzer Bombe
Ein Märchen von Hans-Eberhard von Besser
Es war einmal eine Winternacht, die war so still, daß man die leise niedergleitenden Schneeflocken zu hören glaubte. Weiß waren die Türme, Simse und Dächer von Liegnitz und endlich bekamen auch noch die winterkalten Äste der alten Kastanien am Gabel-Jürgen einen schneeigen Wipfel und der verwitterte Wassergott mit seinem Dreizack eine weiße Mütze, während längst die Stufen der gewundenen Rathaustreppe von einem dicken watteweichen Läufer bedeckt waren. Die Winternacht war, wie gesagt, so friedvoll, daß die verschneite Stadt wie von einem wundersamen Traum umfangen, in einem großen Schweigen ruhte. Längst lagen die Fenster und Häuser im Dunkeln, nur in der Backstube eines Zuckerbäckers und Pfefferküchlers flimmerte noch ein Licht.
Da hockte ein junger Mann auf der Bank neben dem heißen Backofen und starrte, die weiße Backmütze aus der Stirn geschoben, unverwandt ins Leere. Im nächsten Augenblick aber sprang er auf und riß sich die Mütze vom Kopf, der Atem - in der im wahrsten Sinne des Wortes kuchenwarmen Backstube - wurde ihm zu knapp. Ruhelos wanderte der junge Mann auf und ab, ab und auf, leise knarrten die Dielen unter seinen rastlosen Schritten. Mit einem Male blieb er mitten im Raum stehen und ein kurzes, bitteres Lachen erklang. Wer war er denn? Ein Liegnitzer Bäckergeselle, einer, der gerade seit Jahresfrist den Lehrling abgestreift und der auf den Meister zuging. Was war das, etwa viel? Nichts war es, wenn man an die Meister dachte, die da im Kreise gesessen und große Worte im Mund geführt. Seit Tagen konnte er das Bild nicht los werden, verfolgte es ihn bei Tag und Nacht.
Der Obermeister der Innung hatte alle Liegnitzer Zuckerbäcker und Pfefferküchler zusammengetrommelt bis hinunter zum jüngsten Gesellen. Etwas Besonderes sollte zu Weihnachten geschehen. Was sagten die gewichtigen Meister da in der Runde? Ein Backwerk, ein neues Backwerk sollte geschaffen werden, das die Stadt bekannt, in aller Welt berühmt machen würde. Etwas ganz Neues! Ähnlich wie Aachen durch seine Printen, Dresden durch seinen Stollen, Königsberg und Lübeck durch ihr Marzipan, Neiße durch sein Konfekt und Nürnberg durch seinen Lebkuchen, sollte nun auch Liegnitz durch ein Backwerk weithin bekannt werden. Wie die Gesichter der Meister dabei erglühten, wie sie erregt aufeinander einsprachen, begeistert von der Idee. Und jeder konnte mittun - es wäge - nur etwas ganz Neues mußte es sein, das sich vom Althergebrachten abhob.
Der junge Bäckergeselle hockte schon längst wieder auf der Bank am glutheißen Ofen und starrte ins Leere. Wie sollte man etwas Neues finden, wie konnte man zu einer neuen Idee gelangen? Seit Tagen zermatterte er sich den Kopf, hockte Nacht fir Nacht, wenn der Meister in die Federn gegangen, am Ofen und dachte - dachte. Würde es ihm dann nicht sicher sein, die Regina, des Meisters Tochter, wenn es ihm gelang, das neue Backwerk, ein Liegnitzer Backwerk zu erfinden: Das Beste vor die Meister bringen, den Beifall aller zu erringen?! Ein armer Teufel war er - dann aber würde er - die weiße Backmütze schob eine unmutige, erregte Hand - wie schon so oft in den Nacken, ein ruheloser Schritt erklang wieder auf den knarrenden Dielen - und der junge Mann riß die Fenster auf, denn die Luft wurde ihm knapp. Draußen lag die stille Winternacht, die so still war, daß man die sinkenden Flocken zu hören glaubte.
Ein kleiner Junge war er noch, als er einmal bei der Großmutter oben in den Bergen gewesen. Unter der Hochsteinlehne in Schreiberhau hatten die Großeltern ein Häusel mit schrägem Dach und der Großvater ging als Glasmacher hinauf in die Josephinenhütte. Wieviele Geschichten wußte die Großmuttel - ein Lächeln der Erinnung spielte um den Mund des jungen Mannes. Die Geschichten von Rübezahl hatte sie ihm immer wieder erzählen müssen; die Geschichten vom guten Berggeist, der sich der Unglücklichen und Armen erbarmte und überall erschien, wenn es um das Recht und um das Helfen ging. Kein Weg, kein Steg würde jetzt zu der kleinen Hütte fuhren, denn hoher Schnee lag ringsrum in den Bergen.
Versonnen lehnte der junge Mann am Fenster, dachte an Regina, des Meisters Tochter, an den sturmumbrausten Hochstein droben im Riesengebirge, an die große Aufgabe, die er sich heimlich vorgenommen - und der Mut sank ihm bei all seinen Grübeleien. "Rübezahl" - murmelte er und es klang wie das Rauschen eines losen, sirrenden Fittichschlages - traurig schloß der Mann das Fenster. Wozu Träumereien nachhängen - er war und blieb ein armer Wicht! Seufzend hockte er bald wieder auf der Ofenbank, lähmende Mündigkeit überfiel ihn, die Beine wurden ihm schwerer und schwerer, der Kopf mit der weißen Mütze sank ihm auf die Brust - er schlief und bald erfüllte sein regelmäßiger Atem die Backstube.
Draußen aber ruhte über Türmen und Mauern, Dächern und Simsen und den Gassen von Liegnitz die weiße Winternacht.
Von ferner erklang jetzt schwingender Hall von Schlittenglocken, ein Licht blitzte auf, kam näher und näher - in rascher Fahrt glitt ein mächtiger Schlitten heran und fuhr in die schlafende Stadt ein. Der Mann, der ihn lenkte, trug einen weiten Umhang und eine Sturmhaube, viele kleine Lichter umgaukelten ihn, es waren die Laternen der Wichtelmänner, die zu Füßen des mächtigen bartumflatterten Mannes hockten. Der Schlitten bog hier und da ab, es ging nach rechts und nach links um den Ring und wieder weiter und auf einmal hielt der Schlitten in der Gasse vor dem schimmernden Fenster, hinter dem ein Liegnitzer Bäckergeselle in tiefem Schlaf lag. "Aufgepaßt", sagte die tiefe Stimme des Alten, "und die Gedanken zusammengenommen, hört ihr - und leise, nicht gemuckst wird."
Wenige Minuten später huschten Zwerge, die ihre Laternen abgestellt hatten, in der Backstube hin und her. Der Alte, dem langsam die glitzernden Tropfen aus dem vereisten Bart fielen, griff nach seiner Brille und blätterte in einem dicken schweinsledernden Rezeptbuch, das er unter dem Umhang getragen. Die Zwerge, die auf den Tischen geklettert waren, lasen mit. Der dicke Finger des Alten glitt von Zeile zu Zeile. Kaum hatte der riesige, verwitterte Mann das Rezept tuschelnd verlesen und die Arbeit verteilt, da ging man auch schon ans Werk. Die Knirpse in den spitzen Mützen glühten vor Eifer - da wurden Mandeln gerieben, Ingwer geschnitten, Rosinen verlesen und emsig Gewürze im blinkenden Mörser zerstoßen - goldgelber Honig und herbsüßes Johannisbeergelee bereitgehalten - da wurde eine mächtiger Zuckerhut von vier Zwergen keuchend herangewuchtet. Bald bedeckten Mehlstaub und Schokoladenbraun die kleinen, verhuzelten Gesichter. Und über all dem heimlichen Treiben hockte der riesige Mann aus den Bergen und leitete die flinke Arbeit. Schließlich ging er an den Backofen, legte noch einige mächtige Buchenklötze auf und schob mit Hilfe aller anpackenden Zwerge das Backwerk in den Ofen. Die Zwerge griffen nach ihren Laternen und huschten davon.
Der Alte warf noch einen langen Blick auf den Schläfer, dann ging auch er, seinen Umhang über die Schultern werfend und die Kappe in die Stirn ziehend, davon.
Schlittenglocken ertönten und verloren sich in der Winternacht. Ein Duft von feinsten Gewürzen und leckerem Backwerk - so eigen in der Nase kitzelnd - weckte nach einiger Zeit den Schläfer. Er rieb sich die Augen, Traumbilder hatten ihn noch in ihrer Gewalt - ihm war als hätte er flüsternde Stimmen und das Geläut von Schlittenglocken vernommen - dann aber wurde der Bäcker in ihm wach - der Duft bezauberte und verwunderte ihn zugleich. Mit einem Satz war er am Ofen. Es war höchste Zeit! Mit geübtem, raschem Griff brachte er das Backwerk heraus und setzte es auf den Tisch. Ein Rezept mit mächtigen, ungelenken Buchstaben geschrieben lag auf der Tischplatte und darunter stand - ja - wirklich und wahrhaftig - gewaltig und unwiderruflich - "Rübezahl - geheim" -
Vor den Augen des jungen Bäckergesellen drehte sich alles im Kreis, er mußte sich an der Tischkante festhalten. "Rübezahl, Rübezahl" - rief er - erregt an das Fenster stürzend, riß er es auf - doch nur die Winternacht lag friedlich und schweigend über dem schlummernden Liegnitz.
Im nächsten Augenblick stand er vor dem runden, schokoladenbraunen, herrlichen Backwerk; tief sog er die Luft ein. Es duftete und beglückte - Rübezahl hatte geholfen! Die große Aufgabe war erfüllt - das neue, ganz neue Backwerk war da - und Regina, des Meisters Tochter war ihm sicher - das Glück war gekommen! Einen Bombenerfolg würde es geben - Liegnitzer Bombe sollte darum das runde, leckere, schokoladenbraune Backwerk heißen!